Donnerstag, 7. Mai 2009

Ich hab, was sie wollten.

Es ist nicht mehr als eine verdrehte Selbstdiagnose, die ich mir täglich ausstelle. Es ist nicht mehr als ein Traum von dem Leben, dass ich nie haben werde. Es ist nur das abgewrackte Vehikel einer Zukunft, die ich längst hinter mir gelassen habe.

Trotzdem sitze ich jetzt hier. Sitze ich hier an diesem Strand in Nordafrika und frag mich, ob der Arzt nicht gelogen hat. Frage ich mich, ob die Diagnose nicht mehr als eine Lüge war. Eine Lüge mich zu täuschen, mich selbst weiter in das zu pressen, was ich nicht erkennen will. Doch ich steuer auf das Ende schneller zu als jeder Lamborghine Gallardo V10 auf der Zielgeraden.

20 Jahre fahre ich nun schon, 20 Jahre auf dieser Geraden und der Weg wird jeden Tag steiniger. Manchmal fühle ich das Lenkrad fest in meinen Fäusten, es ist spürbarer als jede Explosion und greifbarer als der Sand zwischen meinen Fingern. Aber dann überkommt es mich wieder, die Vision vom Ende dieser Strecke. Ein zerschrotteter Lambo, ein allein dahin trottender Mensch ohne den Mut sich aufzuraffen, weiter zu rennen oder wenigstens direkt aufzugeben.

Ich schleiche dahein wie ein erschlagener Kojote, der sich nur Richtung Sonne zum Sterben niederlegen will. Die letzte Kraft pulsiert noch durch seine Adern, doch sie schwindet zu schnell. Die Zeiten von Stärke und Ruhm sind vorbei und ich habe den Anschluss verpasst.

Niemand kann mich davon abhalten, es selbst zu beenden. Doch das ist noch ein Traum von der eigenen Unbesiegbarkeit, der eigenen Unfehlbarkeit. Ich hab ihn platzen sehen, vor 3 Jahren als ich zum ersten Mal erwachsen wurde. Die letzten Reste schlummern in mir und kämpfen gegen die Übermacht der schlechten Diagnosen.

Ich muss endlich durch den Schleier der Lügen sehen, die mich umgeben. Muss endlich mich selbst klar erkennen, durch den Gang der Spiegel wandeln und sie alle vernichten. Ich kann nur gewinnen durch das Vergeßen, durch das Bereinigen aller begangen Fehler und durch das Beenden aller Qualen. Ich brauch einen Neuanfang, aber nichts ist zum Greifen nahe.

und das tust du gut.

Ich fliege. Ich fliege durch einen Raum voller Spiegel und nur der Schlag meines Herzens ist zu hören.

Ich fliege. Ich fliege durch einen Raum voller Spiegel und nur das Pulsieren des Blutes ist zu fühlen.

Ich fliege. Ich fliege durch einen Raum voller Spiegel und nur der Gestank meiner Niederlage ist zu riechen.

Ich fliege. Ich fliege durch einen Raum voller Spiegel und nur das Ende der Zeit ist zu schmecken.

Auf einmal stoppe ich. Auf einmal dreh ich mich um und blicke zurück.

Links hinten, in diesem nach oben gerichteten Spiegel, seh ich mich als kleiner Junge. Ich seh mich als Zukunft, als hoffnungserfüllte Perspektive, die auf dem steilen Weg nach oben einer unaufhaltbaren Lawine gleicht. Keine Bremse in Sicht- und Reichweite, kein Stein auf diesem so scheinbar einfachen Weg. An das Licht am Ende vom Tunnel nichtmal einen Gedanken verschwendet.

Ein paar Meter weiter, dieser so runde Spiegel, wer konnte Ihn erschaffen. Ich fühl eine einzige Seele darin, die sich in einem schwachen Körper aufbäumt und voller Kraft sich selbst nicht kontrollieren kann. Ich fühle auf einmal mehr als den Sieg, es gesellt sich Einsamkeit und Schwäche dazu. In einem Traum fühlte ich das Licht nach mir greifen, doch noch hat der Wille gesiegt und noch stande ich aufrecht nach der täglichen Schlacht. Das Licht wurde mein täglicher Begleiter wie der Gevatter in Person.

Der Letzte aller Spiegel, ich kann Ihn riechen, ohne Ihn fühlen oder sehen zu müssen. Er ist direkt vor meinem kalten Anlitz, direkt vor meiner fliegenden Figur. Er zeigt mich aufbäumend, kämpfend, doch in der Unterzahl und er verströmt den Geruch der sicheren Niederlage. Ich kann es riechen, ich seh mich selbst darin, die Hände im Gesicht und der Rücken gebeugt. Der Hintergrund des Spiegels, nicht mehr als ein Licht am Ende des Tunnels zum Greifen nah.


Ich versuch mich umzudrehen, rennen, zu flüchten vor der Vergangenheit. Doch ich bin unfähig nur einen Meter zu fliegen, nur einen Meter zu wandeln, nur einen Tag zu überleben. Direkt vor mir, er strömt über alle Sinne, direkt vor mir real wie eine frische Wunde und doch unreal wie eine Foto-Montage. Der letzte aller Spiegel, er zeigt mich zweimal, er zeigt mich doppelt und trotzdem bin ich nur eines von Ihm. Einmal steh ich auf dem Boden, mein eigenes Messer im Rücken und trotzdem lauf ich weiter. Direkt auf den Abgrund zu und keiner weiß, was dann. Direkt daneben bin ich ein zweites Mal, mit der Siegesflagge in der Hand unmittelbar vor dem Thron, auf dem Götter sitzen. Ich laufe nicht, ich bin nur existent und voll Stärke erfühlt. Dominant und schön wie der Kaiser der Welt.


Dann verschwimmt alles, ich wache auf und mein Bett schwimmt auf einer Lache aus Schweiß. Ich zittere und weiß nicht, was ich machen soll. Es ist 03:47 Uhr und das Zimmer ist leer, leer außer mir und meinem eigenen Keuchen. War es eine Vision, war das mein Leben oder nur ein schwachsinniger Traum, gefüllt mit irrer Philosphie und den Alkoholresten von letzter Nacht? Ich trete an das Fenster und blicke nach oben in die Sterne. Sie blinken wie immer und ich weiß, noch ist nichts beendet. Noch kann ich das Messer nur im Badezimmerspiegel sehen und noch nicht im Rücken spüren. Noch hab ich die Krone nur auf Bildern auf und der Thron ist nur ein alter Stuhl am Esstisch.

Noch rieche ich den Spiegel und noch seh ich 2 Personen im Sternenstaub singen, noch lese ich über 2 Personen in meinem bereits vollendeten Tagebuch.